Es ist der 12.08.2022, 20 Uhr im Konzerthaus Berlin. Hier spielt heute das Orchestra Giovanile Italiana aus Italien. Es beginnt mit den Trompeten, die das Intro spielen. Das ist die Festivalhymne von Young Euro Classic, die jedes Orchester anders interpretiert. Sie stehen oberhalb der Bühne und bezaubern die Zuschauer von Beginn an, und auch über das ganze Konzert.
Nach der Hymne stellen die Trompeter sich an ihren Platz im Orchester und der Dirigent, Daniele Giorgio, kommt auf die Bühne. Von Anfang an spürt man die Spannung in der Musik. Spannend, erschreckend und schnell sind Wörter, um die Musik, die sich im Konzerthaus abspielt, zu beschreiben. An manchen Stellen wird der Klang fröhlich und erinnert an den Frühling. Doch die Spannung wird meist schleunigst wieder aufgebaut, weshalb dem Zuhörer keine Zeit bleibt, sich wirklich zu entspannen. So fiebert das Publikum das ganze Konzert über mit und ist mitgerissen von der Musik. Keiner weiß, was als nächstes kommen wird. Von laut auf leise, von fröhlich auf düster, so spielt dieses Orchester heute. Auf kurze harmonische Moment folgt ein oft tragischer und energievoller Spannungsaufbau, welcher die Zuhörer kaum atmen lässt.
Jedes Instrument ist dabei, wenn die Musik das Publikum beeindruckt. Auf ein Instrument folgt das andere, so starten die Stücke größtenteils. Wer in diesem Konzert versucht, Ruhe zu finden, wird heute nicht fündig. Gefesselte Blicke, aber auch traurige Gesichter schauen auf die Bühne. Wer gerade noch müde wirkte, wird von der Musik mit Sicherheit geweckt. Trotz der Anspannung gibt es auch eine gewisse Ruhe, bis die Dramatik wieder in Schrecken versetzt. Die Mystik der Musik macht das Publikum zu ihren Gefangenen und lässt es nicht wieder frei. Auf einmal wachgerüttelt und geschockt wird das Publikum vom Vibraphon. Hinterste Reihe, in der Mitte des Orchesters befindet es sich und beunruhigt die Menge. Kein Ende scheint in Sicht zu sein und es wird immer lauter und düsterer. Auf einmal scheint die Luft klarer zu werden, mit langsamen, lockeren Tönen. Quelle dafür sind die Celli, rechts neben dem Dirigenten. Die Trompete steigen wieder ein und liefern sich einen lauten Kampf. Weiterhin kein Ende in Sicht. Auch die Fagotte beenden die erste Konzerthälfte nicht. Erst nach weiterem Nervenkitzel ist Pause. Seien sie gespannt auf die zweite Halbzeit, auch sie war unglaublich voll Tension.
Der Wiedereinstieg macht die Menge gleich wieder angespannt und nervös. Ungewissheit bleibt das Motto des Konzerts, Unberechenbarkeit. Traurig und ruhig ist die Musik, aber auch schön und fröhlich kann sie sein. Leise Momente kommen hinzu, geprägt vor allem von den Geigen und Celli. Außerdem macht ein unglaubliches Geigensolo das Publikum sprachlos. Weiterhin müssen die Fagotte gelobt werden, und auch das die Solotrompete zaubert heute auf der Bühne, einfach magisch! Mysteriöse Fröhlichkeit tritt auf, gefolgt von wunderlicher Ruhe. Kurz darauf, wieder einmal furchteinflößende Laute, die den Dirigenten aber kein bisschen beirren. Seine Bewegungen sind flüssig. Vollkommen locker, ruhig und entspannt wirkt er. Doch er kann auch anders, schnell und präzise wie ein Adler perfektioniert er jede Bewegung. Ganz große Klasse! Weiterhin bleibt es furios und energievoll. Fröhliche Musik, gefolgt von unbehaglicher Ungewissheit. Kurze Ruhe wird zu Spannung und die wiederum führt zum dramatischen Ende. Bis zum Schluss ein Konzert voller Überraschungen.
Nicht zu vergessen, danach die Publikumsfeier. Die Italiener kommen mit ihren Instrumenten nach draußen auf den Gendarmenmarkt und spielen weiter. Ein älteres Paar tanzt zur Musik, die Musiker halten Rosen in den Händen und stehen im Halbkreis um die Bläser, einer hält seine Rose zwischen den Lippen und sie werden gefeiert wie Weltmeister. Die Luft riecht nach Feierlust und Spaß. Für die Zuschauer gibt es Wasser, Bier und Brezeln wie in Bayern, ein echtes Fest. Unwahrscheinlich schön und stimmungsvoll, wir mittendrin in der umwerfenden Stimmung.
Leider geht auch dies vorbei. Aber die Erinnerungen leben weiter, für immer.