Seit seiner Gründung im Jahr 2007 versteht sich die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei als „Laboratorium der Demokratie“, wo über die intensive musikalische Arbeit hinaus die Prinzipien von Koexistenz, Leadership, Selbstrespekt und Verantwortung verwirklicht werden. Workshops und Seminare nehmen dabei eine wichtige Rolle ein – so auch 2014, als das Orchester zum 25-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Istanbul und Berlin zu Gast an der Spree war. Neben den eigenen Festivalauftritten bei Young Euro Classic – zuletzt 2015 – fanden auch zwei binationale Projekte große Resonanz, so 2011 das Young Euro Classic Festivalorchester Türkei – Deutschland und 2012 das Armenisch-Türkische Jugendorchester. In den letzten Jahren gastierten die Musiker im Alter zwischen 16 und 22 Jahren mit großem Erfolg im Konzerthaus Wien, im Auditorium in Rom, in Brüssel, beim Brucknerfest in Linz und beim Beethovenfest in Bonn. 2013 spielte das Orchester zur 400-Jahr-Feier der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Türkei in Anwesenheit von Königin Beatrix Konzerte in Amsterdam und Den Haag.
Konzerthaus, Berlin
Schwere Zeiten in Brüssel! Nach dem Votum der Briten für den Brexit hatte die Hauptstadt Europas Ende Juli 2016 auch noch den Krexit zu verkraften: Rolf-Dieter Krause, jahrzehntelang der „Mr. Europa“ der ARD, wurde mit wahrlich wohlverdienten Lobeshymnen in den Ruhestand verabschiedet. „Kompetent in der Sache, kritisch in der Analyse, klar im Wort“, beschrieb ihn das „Medium Magazin“, als es ihn 2012 zum Journalisten des Jahres kürte. Inzwischen ist er ein Berliner. Krause, in Lüneburg geboren, begann als Lokalredakteur in Unna, Kamen und Hamm, wechselte 1982 zum WDR-Landesstudio in Düsseldorf und arbeitete von 1985 bis 1990 als ARD-Korrespondent in Bonn. 1990 landete er dann da, wo er hingehörte: in Brüssel, und das mit erfrischender Offenheit: „Damals hatte ich noch keine besondere Sicht auf die Europäische Gemeinschaft. Ich war einfach jung und neugierig.“ Nach einem Intermezzo als Stellvertretender Studioleiter in Bonn und als Programmchef des WDR-Fernsehens in Köln 2000 hatte Brüssel ihn 2001 wieder – für weitere 15 Jahre, den Rest seines Berufslebens.
Die persönliche und künstlerische Biographie von Cem Mansur könnte kosmopolitischer nicht sein: Der englisch-türkische Doppelbürger kam 1957 in Istanbul, in einer multi-nationalen und vielsprachigen Familie zur Welt. Er studierte in London und anschließend am Los Angeles Philharmonic Institute bei Leonard Bernstein. Nach der erfolgreichen Aufführung von Edward Elgars unvollendeter Oper The Spanish Lady 1986 in London folgten Engagements bei international bedeutenden Orchestern und Opernhäusern, in Europa und den USA wie auch in Israel und Südafrika. 2009 leitete Mansur die Europäische Erstaufführung von Arvo Pärts vierter Symphonie in Helsinki, 2010 die Uraufführung von dessen Komposition Veni Creator in Polen. Als Chefdirigent der Nationalen Jugendphilharmonie der Türkei dirigierte er Gastspiele bei Young Euro Classic und leitete mehrere binationale Projekte, u.a. das Young Euro Classic Festivalorchester Türkei – Deutschland und das Armenisch-Türkische Jugendorchester. 1998-2011 war er außerdem Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Akbank Chamber Orchestra.
Die türkische Geigerin Hande Küden stammt direkt aus der Nationalen Jugendphilharmonie der Türkei, in der sie 2008-2012 Konzertmeisterin war. Geboren 1992 in Adana (Türkei), studierte sie zuerst am Staatskonservatorium der Universität Cukurova, bevor sie zu Stephan Picard an die Musikhochschule „Hanns Eisler“ in Berlin kam. Mit Preisen und Stipendien wurde Hande Küden mehrfach in der Türkei wie in Deutschland ausgezeichnet, auch ihre ersten solistischen Auftritte hatte sie mit türkischen Orchestern in ihrer Heimat wie in Deutschland. Besonders folgenreich war für sie das Ferenc-Fricsay-Stipendium des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin: Dort ist die Geigerin seit 2016 als Stellvertretende Konzertmeisterin unter Vertrag.
„Don Juan“ op. 20 (1888)
Konzert für Violine D-Dur op. 35 (1878)
„Haydar Haydar“ (2015, Deutsche Erstaufführung)
„Eine Steppenskizze aus Mittelasien“ (1880)
Symphonische Variationen op. 78 (1877)
16:15-17:15 Uhr - Öffentliche moderierte Generalprobe im Großen Saal
Im Rahmen der Serie „Demokratielabor“ der Nationalen Jugendphilharmonie der Türkei.
Eintritt frei
18:30-19:30 Uhr - Diskussion: „Musikalische und kulturelle Identität in streitbaren Zeiten“
Mit Cem Mansur, der Komponistin Sinem Altan und Dieter Rexroth im Werner-Otto-Saal.
Einlass mit Konzertticket
PROGRAMM
Brillanz und Leidenschaft sind seit eh und je die Eigenschaften, mit denen die Nationale Jugendphilharmonie der Türkei das Publikum bei Young Euro Classic in seinen Bann zieht. Brillanz und Leidenschaft lässt auch das Programm erwarten, mit dem die türkischen Musikerinnen und Musiker diesmal nach Berlin kommen – zum vierten Mal seit der Orchestergründung 2007. Schon der Einstieg mit Richard Strauss’ verführerischem Don Juan dürfte für Stimmung sorgen; danach folgte mit Piotr Tschaikowskis Violinkonzert ein Highlight des romantischen Violinrepertoires, in dem Hande Küden, die frühere Konzertmeisterin des Orchesters und heutige Konzertmeisterin des DSO, ihr ganzes Können vorführen kann. Wunderbare Stimmungsbilder sind dagegen die beiden anderen Kompositionen: Borodins Steppenskizze aus Mittelasien und die Symphonischen Variationen des Böhmen Antonín Dvořák. Und auch ein türkisches Werk darf nicht fehlen: Der in Istanbul lehrende Komponist Ali Özkan Manav hat das äußerst populäre Stück Haydar Haydar von Ali Ekber Çiçek für moderndes Orchester bearbeitet.
Mitschnitt
Dieses Konzert wird LIVE und ON DEMAND auf ARTE CONCERT gestreamt: concert.arte.tv/young-euro-classic